Belgische Königsfamilie als Staatsgefangene auf Schloss Hirschstein
Auf höhere Weisung beschlagnahme ich im öffenlichen Interesse für einen hohen Staatsgefangenen und dessen Gefolge das gesamte Schloss Neuhirschstein zur Gemeinde Bahra gehörend, einschließlich Garten und Park zugunsten des höheren SS- und Polizeiführers Elbe - lnspekteur der Sicherheitspolizei und der SD - in Dresden."
So beginnt ein Schreiben des Landrates zu Meißen vom 7. Oktober 1943 an die Sächsische Revisions- und Treuhandgesellschaft, die das Eigentum der Witwe Louise Busse verwaltete. lm Auftrag Hitlers wurde das Schloß zum Staatsgefängnis. Am 28. Mai 1940 kapitulierten die belgischen Truppen. Leopold III., König der Belgier, bezog als Gefangener sein Schloß Laeken. Als am 6. Juni 1944 die Alliierten in Frankreich landeten, wird König Leopold auf Befehl Himmlers verhaftet und mit unbekanntem Ziel nach Deutschland deportiert. Einen Tag später erfolgte der Abtranport seiner Frau mit den Kindern des Königs aus erster Ehe, Josephine, Albert und Baudouin, sowie ihrem 1942 geborenen Sohn Alexander.
Es existierte eine Schilderung dieser Reise ins Unbekannte durch die Prinzessin. Sie schreibt: "So geht die wilde Jagd drei Stunden lang, bis wir auf einen Strom stießen und noch einige Kilometer längs des Flußlaufes fahren, über dem sich am Himmel die Umrisse eines mächtigen Felsenkegels abzeichneten, auf dem sind Art alter Burg thronte und die Straße beherrschte. Unsere Wagen passieren drei Straßensperren mit Stacheldrahtverhauen, bevor sie in den Burghof rollen, dessen Tore sofort wider von bewaffneten Wachen hinter uns geschlossen und verriegelt werden."
Der Sommer ging, es wurde Herbst,der harte Winter begann. Im Frühjahr 1945 drangen die Alliierten vor. Am 6. März wurde der belgischen Königsfamilie mitgeteilt, daß sie sich bereithalten solle, die Unterkunft zu wechseln. Sie wohnten nun bei Salzburg wieder hinter Stacheldraht, bewacht von der SS. Die Alliierten rückten immer näher. Die 7. Amerikanische Armee war auf dem Vormarsch - bald walzten die Panzer den Stacheldraht nieder; die Königsfamilie war frei!
Am Buß- und Bettag 1991 kehrte seine Königliche Hoheit Prinz Albert an die Stätte seiner Kindheit zurück. Anläßlich eines Besuches einer Wirtschafts-delegation weilte der Prinz in Sachsen und hatte den Wunsch geäußert, noch einmal den Ort zu sehen, wo er als Zehnjähriger ein trauriges Jahr seiner Kindheit verbrachte. Bei einem Schloßrundgang besichtigte er die Räume, in denen der König mit seiner Familie untergebracht war. Er genoß noch einmal den Blick über die Elbe, an den er sich offensichtlich gut erinnern konnte. Von hier aus sah er in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 am Horizont Dresden brennen. Er ging auch noch einmal in den Garten, in dem er mit seinen Geschwistern spielen durfte.
Anfang April 1996 stattete seine Gattin Paola, Königin der Belgier, dem Schloß Hirschstein einen Besuch ab, in dem ihr Mann als Kind interniert war. Die Monarchin befand sich auf einer privaten Studienreise. Paola zeigte sich von der heutigen Nutzung des Schlosses als Kindersanatoriumund den dort erreichten Heilerfolgen beeindruckt. Weit weniger dürfte der Monarchin der immer mehr verfallende, unmittelbar vor dem Schloß befindliche Gutshof imponiert haben.